Autor: (Seite 3 von 5)

Ganzert, Anne

Popkulturelle Figurationen des Hackers

„Our Society has been hacked”[1] — Spätestens mit dem ‚Personal Computer’ hielten Figurationen von Hackern Einzug in Film und Fernsehen (Weird Science, Hackers, War Games uvm.) und mit den ‚mobile media’ passten sich diese Erzählungen an. Der Vortrag stellt ein Projekt vor, das ermitteln will, wie die Bewegung peripher Hacking-Phänomene in Kontexte der Popkultur vonstatten geht und welche Widerständigkeiten und Kongruenzen dabei entstehen oder beobachtbar werden. So finden sich unzählige Beispiele aus Büchern, Filmen, Serien und Games, in welchen verschiedene Figurationen des Hackers in den Vordergrund treten.[2]

Dabei werden zum Beispiel die in politischen Protestkulturen deklarierten flachen Hierarchien durch die Präsentation von fiktiven Anführern in Frage gestellt (Alias). Gleichzeitig referiert z.B. die Maske von Anonymous auf den Film V wie Vendetta. Die Serie Homeland wiederum zeigt maskierte Proteste, die von Anonymous inspiriert sind. Manche Fiktionen werfen Fragen nach einer (moralischen) Berechtigung von Hacking auf (Who am I), hinterfragen kriminelle Motivation (Blackhat) oder „leaking“ (Underground). In anderen verdichten sich Utopien und Dystopien, z.B. hinsichtlich der Überwachung des öffentlichen Raumes (Person of Interest, Watch Dogs). Zudem parodieren sich mache Hackerfigurationen selbst, z.B. das ‚Nerd’-Dasein oder Fanpraktiken (The IT Crowd, Sherlock). Interessant sind auch Figuren, bei denen Gerät und Figur identisch werden (Heroes).

Der Vortrag wird Figurationen des Hackers in fiktionalen Kontexten aufzeigen und den Versuch einer Kategorienbildung unternehmen. Interessant sind dabei Verschiebungen von Peripherie zu Zentrum oder Subversion zu Mainstream. Dabei wird der Schwerpunkt auf Inszenierungen der Gemeinschaftsbildung gelegt, so dass Figurationen des Hackers zu Figurationen der online community werden. Eine Diskursanalyse ihres popkulturellen Erscheinens ermöglicht so die medienwissenschaftliche Reflektion.

[1] Slogan von Mr. Robot, USA Network 2015.

[2] Im Folgenden werden jeweils in Klammern Beispiele genannt, die exemplarisch für die beobachteten narrativen Figuren und Figurationen stehen.


Anne Ganzert. M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt ‚Smartphone Gemeinschaften’ von Prof. Dr. Isabell Otto. Ihre Dissertation befasst sich mit US-amerikanischen TV Serien und deren Pinnwänden.

Zu ihren Publikationen zählen “We welcome you to your Heroes community” (IMAGE 21, 2015) und „ReClaiming Participation“ (Transcript 2016). Weitere Forschungsinteressen sind Fan Studies, Partizipationstheorie, Transmedia Storytelling und Visual Culture Studies.

Kießling, Maren

Höhere Bildraten im ‘Raumfilm’

Seit circa 100 Jahren produzieren und zeigen wir Filme in 24 Bildern pro Sekunde (fps). Mit dem digitalen Umbruch im Kino, ist es möglich geworden, Filme in höheren Bildraten zu produzieren und auch zu projezieren. Zum Beispiel wurden die Hobbit-Filme in 48fps gedreht und aufgeführt. James Camerons Avatar 2 wird in 60fps und Ang Lees (Life of Pi) neuester Film Billy Lynn’s Long Halftime Walk wurde in 120fps, 3D und 4K produziert.

Im Rahmen meiner Forschung über die Veränderung der Bilddramaturgie im Kontext ‘neuer‘ Technologien wie 3D, Fulldome, VR, HFR usw., hatte ich die Chance zwei Studien mit höheren Bildraten durchzuführen. Im April 2016 erfolgte meine Kinostudie mit einem Kurzfilm in 96fps und im Februar 2017 meine Live-Fulldome-Studie mit einem 60fps Fulldome-Film. (Bei beiden jeweils auch in anderen niedrigeren Bildraten zum Vergleich.)

In diesen Studien erfassten offene Fragen sowie Antwortskalen die Bereiche Gewöhnung, Empfindung, Präsenz & Immersion und Wahrnehmung von Bildschärfe, -qualität und -rhythmus.

Auf dieser Konferenz würde ich gern die Studien und Teilergebnisse vorstellen, und formulieren warum Höhere Bildraten in ‘Raumfilmen‘ wie 3D und Fulldome wichtig sind.


Maren Kießling entdeckte das Filmemachen für sich während ihrer Ausbildung zur Mediengrafikerin.

Neben ihrem Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte in Halle arbeitete sie bei diversen Filmen als Kamerafrau, Regisseurin, Cutterin und Produktionsleiterin.

Unter anderem war sie auch beim Offenen Kanal Wettin als Medienpädagogin tätig und half Jugendlichen bei der Umsetzung ihrer Kurzfilme. Heute arbeitet sie als Dozentin für Film an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am Department für Medien und Kommunikation, widmet sich in ihrer Doktorarbeit dem „Kino der Zukunft“ und leitet die Forschungsgruppe „Fulldome&3D“.

Horn, Sarah

Mit Hormonpräparat und Webcam – selbstdokumentarische Praktiken in Trans*-Vlogs

„Documentary has been the dominant medium for the New Trans Cinema“, konstatiert B. Ruby Rich und spricht diesem NTC die Energie des frühen New Queer Cinemas zu. Dabei scheinen die technischen Möglichkeiten digitaler Filmproduktion, die nahezu jeder Person die audiovisuelle Aufzeichnung der eigenen geschlechtlichen Transition ermöglichen, als wichtige Voraussetzung der Entwicklung. Zugleich hält Rich den Dokumentationen dieses „film and digital movement[s]“ einen formalen Konservatismus vor, der in der strengen Chronologie und dem Verharren in einem„eternal present tense“ zum Ausdruck komme und damit die experimentellen Möglichkeiten gerade digitaler Film- und Videoproduktion nicht nutze.

Mein Dissertationsprojekt, das ich im Rahmen des FFKs zur Diskussion stelle, nimmt diese Gedanken von Rich auf, verschiebt den Fokus jedoch vom ‚film‘ auf den Aspekt des ‚digital movement‘ im Kontext der Dokumentation von Trans*. Zahlreiche Transmenschen halten ihre Transition in Vlogs auf YouTube öffentlich fest. Diese Form der Selbstdokumentation setzt dabei die medialen Techniken und den geschlechtlichen Körper wie auch den Einsatz von Hormonen in ein wechselseitiges Verhältnis, das es aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen gilt, um das produktive Zusammenspiel von Dokumentarischem und Geschlecht differenzierter betrachten zu können: Unter anderem wird – da sich mein Projekt zentral mit der Hormoneinnahme als einer Technik der Transition im Medium des Vlogs auseinandersetzt – die Analyse des Wissens um Geschlecht in wissensgeschichtlichem Rückgriff auf die Entstehung der Endokrinologie erfolgen. Daran anschließend kommen der Einsatz von Hormonpräparaten und die Praxis des Vloggens als (mediale) Techniken der Selbstdokumentation in den Blick, die die Transition performativ bedingen statt einem, wie auch von Rich angedeutet, teleologischen Narrativ zu folgen.


Nach dem B.A.-Studium Medienkulturwissenschaft und Medienrecht an der Universität Köln hat Sarah Horn den M.A. Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum abgeschlossen. Am dortigen Institut für Medienwissenschaft ist Sarah Horn seit Oktober 2016 Kollegiat_in im interdisziplinären DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Eszess und Entzug“ und forscht unter dem Arbeitstitel „Testo-Techniken. Transmännliche Körper in/mit/als dokumentarische Medien“ zu Selbstdokumentation im Internet.

Wolf, Deborah

Die Konstituierung der Erinnerung: 9/11 und die Medien

Am 11. September 2001 um 9.48 Uhr Eastern Standard Time kollidierte ein Passagierflugzeug mit dem Nordturm des World Trade Centers. Die Folgen haben die Weltpolitik seither immens beeinflusst. Die Erinnerung an dieses Ereignis ist von Schrecken und Trauer geprägt: Eine Katastrophe, die ihres gleichen sucht. Gleichzeitig eröffnen sich Leerstellen, in denen sich Zweifel einnisten: Wer ist schuld? Was ist wirklich passiert? Nicht nur durch seine Durchschlagskraft, sondern auch durch die divergente Rezeption und die mediale Einbindung zeigen sich an 9/11 – allein die Etablierung eines eigenen Begriffs ist bemerkenswert – die vielschichtigen Funktionen und Dysfunktionen des kollektiven Gedächtnisses.

Mithilfe von Jean Baudrillard und Denkansätzen der Gedächtnistheorie nach der Schule Maurice Halbwachs‘ soll zunächst nachvollzogen werden, warum gerade 9/11 so folgenreich war. In der Betrachtung der Fernsehberichterstattung wird deutlich, wie die Akteur/-innen erleben und unter mitwirken welcher Transformationsprozesse Erleben zu Erinnerung wird. Dabei spielt die Koordination individueller, sensueller Wahrnehmung im Fernsehen eine tragende und Kollektivität konstituierende Rolle. Anhand der CNN-Berichterstattung zeigt sich, wie früh das Fernsehen an der Entwicklung von einer kohärenten Deutung mitwirkt und wie es durch die Störung seiner Medialität selbst zu einem Faktor darin wird.

Die Online-Videoplattform YouTube, die durch ihre ebenfalls audiovisuelle Medialität in direkter Konkurrenz – oder Konvergenz? – zum Fernsehen steht, ermöglicht eine Resorption von 9/11, die auch alternative Lesarten beinhaltet. Der online distribuierte Film Zeitgeist zeigt eine in Opposition zur offiziellen Version stehende Deutung, während andere Uploads mit der Artikulation persönlicher Trauer eine alternative, wenngleich nicht oppositionelle Lesart darstellen. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Praktiken in der Medialität YouTubes verankert sind und auf welche Weise sie die kollektive Erinnerung an 9/11 beeinflussen.


Deborah Wolf schloss 2016 den Studiengang M.A. Medien und kulturelle Praxis an der Philipps-Universität Marburg ab. Ihre Masterthesis befasst sich mit „Gedächtnis, Macht und Medien“ und ihrer Verortung im „Spannungsfeld von Fernsehen und YouTube“. Im besonderen Fokus steht dabei die Erinnerung an 9/11.

Seit Februar 2017 ist sie als wissenschaftliche Hilfskraft im DFG geförderten Projekt„Mediale Störungen. Strukturen und Funktionen von Fernsehsondersendungen in der politischen Medienkultur Deutschlands“ unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Dörner (Marburg) und Prof. Dr. Ludgera Vogt (Wuppertal) tätig.

Kathöfer, Jasmin // Schulz, Christian // Deja, Katrin

Die jüngste Fotoforschung fokussiert die Fotografie nicht allein als Bild, sondern betrachtet das Fotografische als komplexes Handlungsgefüge, dem spezifische technisch-mediale, soziale, kulturelle und ästhetische Bedingungen zugrunde liegen, dem aber auch das Potenzial zu deren Störung und Modifikation innewohnt (Becker et al. 2016). Entstehung, Handhabung, Wahrnehmung und Zeigen der Fotografie entfalten gemeinsam mit den Diskursen über sie eine eigene komplexe Bild- und Blickmacht, die als Disziplinierungsmittel oder kreatives Potenzial wirksam werden kann. Dieses „fotografische Dispositiv“, das in der Forschung gerade erst ausdifferenziert wird, bildet auch den Ausganspunkt des Panels. Genauer soll es in den Beiträgen des Panels um die Grenzüberschreitungen des fotografischen Dispositivs gehen. Mit Grenzüberschreitungen sind hier sowohl die Migrationen fotografischer Spezifika in andere Medien gemeint, wie z. B. in aktuellen (Self-) Tracking-Technologien, als auch das Zusammenspiel verschiedener Mikro-Dispositive (Deleuze 1996) unter dem Etikett eines vermeintlichen fotografischen Makro-Dispositivs, wie beim Netzphänomen der Selfie-Fotografien. Vor diesem Hintergrund nähern sich die Beiträge dem Fotografischen gleichermaßen an, wie sie sich von ihm entfernen.

So geht es im Vortrag von Jasmin Kathöfer (Data Selfies – digitales Tracking als Erweiterung des fotografischen Indexbegriffs“) um die Fortführung des fotografischen Indexbegriffs im digitalen Tracking. Die mithilfe von pervasiven Medientechnologien gesammelten Daten, erzeugen digitale Spuren im Netz,  die zu Profilen zusammengefasst werden können. Hierbei geht sie der Frage nach, wie diese Spuren bzw. Profile in Zusammenhang mit dem Index stehen und zieht zur Illustration dessen u. a. die Arbeiten von Laurie Frick und die Maschine Memopol heran.

Der Beitrag von Christian Schulz („Selfie-Gefüge – kleine Ichs selber machen lassen“) vertritt die Position Selfies als komplexes Gefüge zu betrachten, in dem sich agency auf unterschiedliche menschliche und medientechnische Akteure verteilt. Ausgehend von den zentralen medientechnischen Bedingungen des Phänomens, spürt der Vortrag zunächst den Ko-Konstitutionen von Technologien und Praktiken nach, um in einem zweiten Schritt anhand der Graphical User Interfaces (GUI) der populären Foto-Sharing-Plattformen Instagram und Snapchat ermächtigende und unterwerfende Aspekte zu thematisieren. So wird deutlich, dass sich das Selfie nicht auf ein fotografisches Dispositiv reduzieren lässt.

Daran anknüpfend setzt sich Katrin Deja in ihrem Beitrag („Subversive Körper – Über die Möglichkeiten widerständiger Körperinszenierungen in Selfies“) mit der Frage auseinander, inwiefern der offene, aushandelnde Prozess von Körperinszenierungen in der Selfie-Kultur genutzt werden kann, um mit Hilfe von Selfies gegen geschlechterspezifisch stereotypische Körperinszenierungen und Body Images zu rebellieren. Ausgegangen wird hierbei von der These, dass die eigen inszenierte Körperperformance selbstreflexive Prozesse in Gang setzen kann, die den performativen Charakter von Körperdiskursen les- bzw. aufzeigbar machen.

Literaturachweise
  • Ilka Becker et al.: Fotografisches Handeln (Das fotografische Dispositiv Bd. I), , Kromsdorf, Weimar 2016.
  • Gilles Deleuze: Lust und Begehren, Berlin 1996.

 


Vortragende:

Jasmin Kathöfer (M.A.), seit Oktober 2016 Doktorandin im DFG-Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ an der HBK Braunschweig mit dem Thema „Dem Index auf der Spur. Das fotografische Dispositiv in aktuellen digitalen Körpertechniken des Tracking“ (Arbeitstitel). Studium an der Universität Siegen (Literatur Kultur Medien und Kunstgeschichte BA, Medienkultur MA) von 2009-2015, Oktober 2015 bis Mai 2016 Lehrauftrag an der Fachhochschule des Mittelstands (Köln), 2016 Mitarbeit im VW-Projekt „Die Gesellschaft nach dem Geld“ (Universität Bonn).


Christian Schulz (M.A.), seit Oktober 2016 Doktorand im DFG-Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ an der HBK Braunschweig mit dem Thema „#instagram: Mobile Selbstfotografie als Medium der Anerkennung“ (Arbeitstitel). Studium der Medienkulturwissenschaft und Literaturwissenschaft an der Universität Siegen, von Oktober 2015 bis September 2016 Promotionsstipendiat im DFG-Graduiertenkolleg „Materialität und Produktion“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.


Katrin Deja (M.A.), seit Oktober 2016 Doktorandin im DFG-Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ an der HBK Braunschweig mit dem Thema „Making myselfie subversive – Erschließung des subversiven Potenzials von Körpertechniken in der Selfiekultur“ (Arbeitstitel). Studium der Sozial- und Medienwissenschaften an der HBK Braunschweig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender Studies, poststrukuralistische Theorien und digitale Medien.


Panel-Moderatorin:

Beate Pittnauer (Mag.), seit Oktober 2016 Doktorandin im DFG-Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ an der HBK Braunschweig mit dem Thema „L’image juste. Intermediale Analysen zum Verhältnis von Fotografie, Erinnerung und Text.“ Studium der Kunstgeschichte, Komparatistik und Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. 2014-2016 wissenschaftliche Volontärin am Westfälischen Landesmuseum, Münster. Kuratorische Assistenz von Ausstellungen zur Kunst der Moderne.

Schlösser, Lioba

Bilder performativer Magie: Rituelle Darstellungen als filmische Praktiken der Transgression

Rituale sind Wiederholungen archetypischer, mythisierter Handlungen, fluide und durch mimetisches Wissen gespeist (Eliade). Sie sind Ausdruck von Machtbeziehungen, beeinflussen Hierarchien und strukturieren soziale Wirklichkeiten (Wulf). Darüber hinaus stellen sie spezielle Kommunikationsformen dar (Gennep) und konzipieren sich und ihre performative Magie durch kommunikative Handlungen mit transformativer, verbaler Kraft. Rituale bedeuten Transgression; sie markieren Schwellenübergänge von einem Zustand in einen anderen und sind daher als zwischenweltlich zu charakterisieren (Bourdieu).

Filme entfalten ihre Wirkung ebenfalls auf performativer Ebene und greifen dort transgressive Motive auf. Der Vortrag betrachtet daher bestehende Bezüge zwischen Ritual und filmischer Darstellung. Dabei soll es beispielhaft um Transgressionen zwischen Leben und Tod sowie Sterblichkeit und Unsterblichkeit gehen. Auch Übergänge von einem Geschlecht ins andere oder Verwandlungen vom Menschlichen ins Übermenschliche sind beachtenswert. Sie alle sind von rituellen Mustern geprägt, die sich durch konkret analysierbare Stilmittel und Kunstgriffe erkennen lassen. Diese möchte ich anhand von Szenenbespielen der Filme Transcendence (2014), When Animals Dream (2014), Splice (2010), Eyes Wide Shut (1999) und Orlando (1992) evaluieren.

Anhand der Beispiele soll untersucht werden, wie filmische Motive mit performativer Transgression in Verbindung stehen und welchen Einfluss die von Wulf thematisierte, performative Kraft des audiovisuellen Mediums Film auf die Ritualdarstellungen hat. Außerdem muss betrachtet werden, wie transgressive Strukturen die Schnittstellen zwischen Mythen, Ritualen und Film markieren. Die mythischen Grundlagen der Plots lassen Verbindungen zu deren performativer Wirkung zu, die wiederum im Mittelpunkt Bourdieus Theorie steht und Transgression als zentrales Element thematisiert.


Lioba Schlösser (MA). 2009 bis 2012 Bachelorstudium an der Universität Siegen, Studienfach Literary, Cultural and Media Studies (LCMS). 2012 bis 2014 Masterstudium Medienkultur an der Universität Siegen.

Seit 2015 Promotion (Universität Mainz) unter dem Arbeitstitel: Perspektiven filmischer Überwindung der bipolaren Geschlechternorm durch Rückgriffe auf mythisches Potenzial.

Weiß, Monika

Fernsehen macht Unterricht – Lehren und Lernen mit Reality-TV

Die aktuellen medienpädagogischen Debatten und Konzepte werden vorwiegend um Innovationen der digitalen Medien geführt. Der sinnvolle und reflektierte Umgang mit sozialen Netzwerken, Smartphones und Tablets steht sicher zu Recht im Fokus derzeitiger Lehr-Lernkonzepte, sollte jedoch nicht den alleinigen Inhalt der Medienkompetenzbildung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen darstellen. Erzählungen in Film und Fernsehen gehören ebenso zu deren sozialer Realität, werden aber, wie Thomas Walden (2015: 14) anmerkt, oft „als Bestandteile profaner Kultur diskreditiert […], denen im Bildungskanon institutioneller Bildung  kein Platz eingeräumt werden muss.“

Doch gerade weil etwa Formate des Reality-TV über das heimische Fernsehen allgegenwärtig erscheinen, sollten deren Konstruiertheit, Logiken und Nutzungsmotive bei Kindern und Jugendlichen Teil medienkompetenzbildender Lehr-Lernkonzepte auch in den Schulen sein. Diesbezüglich plädiere ich für den Einsatz medienwissenschaftlicher Expertise in der Lehreraus- und –Fortbildung und möchte ein solches, von mir entwickeltes Konzept in Bezug auf den Einsatz von vermeintlich profanen Fernsehinhalten im Unterricht (fachspezifisch im Bereich Ethik oder Gesellschafts- und Sozialkunde) zur Diskussion stellen.


Monika Weiß, Mag., Studium der Medienwissenschaft, Neueren Geschichte und Politikwissenschaft; seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fernsehwissenschaft des Instituts für Medienwissenschaft, Philipps-Universität Marburg; Dissertationsprojekt zur „Living History im Fernsehen“ (AT); Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie des Fernsehens, Fernsehen und Geschichte, Serialität und Intermedialität sowie Kinder und Fernsehen/Kinderfernsehen.

Greiner, Rasmus

Der Kriegsfotograf und das Kino: Transmediale Überlegungen zum Kriegsfilmgenre

Nicht erst die transmediale Verknüpfung von filmischen Kriegsbildern mit Social-Media-Inhalten macht evident, dass das Kriegsfilmgenre im Kontext der medialen Gesamtkonstellation erforscht werden sollte. Auch der jahrzehntelange produktive Austausch mit der Kriegsfotografie bedarf gesonderter Aufmerksamkeit. Der Kriegsfotograf ist hierbei selbst zu einer Filmfigur geworden, während der Kriegsfilm – trotz aller medialen und kontextuellen Unterschiede – einige weitreichende Analogien zur Kriegsfotografie aufweist.

Neben einem affektiven Moment der Überwältigung betrifft dies auch die Suggestion eines authentischen Einblicks in die Kriegshandlungen und deren Folgen. Der Kriegsfilm okkupiert hierzu den Mythos des objektiven fotografischen Bildes, von dem er sich gleichzeitig durch Bewegung, Zeitlichkeit und Ton abgrenzt, um die alleinige Deutungshoheit zu beanspruchen.

Mein Vortrag beleuchtet dieses Differenzverhältnis zwischen Kriegsfilm und Kriegsfotografie. Ziel ist die Ergründung und theoretische Durchdringung des Verhältnisses von Film und Krieg sowie dessen Transformation infolge von Digitalisierung und Mediatisierung.

Hierbei sind insbesondere drei Perspektiven relevant:

  1. die Bedeutung und Inszenierung von Autorschaft im Hinblick auf fotografische/filmische Bilder und deren Anonymisierung im Zeitalter der digitalen Bilderflut;
  2. die Krise des fotografischen Bildes und die  Verlagerung der Authentizitätszuschreibung auf das Auditive; und
  3. die Politik der Bild- und Tonästhetik zwischen entgrenzter visueller Gewalt, fotografischen Konventionen und digitaler Fragmentierung.

Dr. Rasmus Greiner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen, sowie Redaktionskoordinator des eJournals www.nachdemfilm.de. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Film und Geschichte, Audio History des Films, transmediale Genre Studies, Globale Filmkultur sowie Film, Krieg und Gewalt.

Zu seinen aktuellen Publikationen zählen:

  • Reality Unbound: New Departures in Science Fiction Cinema, Hg. (2017);
  • Als Chaplin nicht mehr schweigen konnte. Filmton und Politik in The Great Dictator. In: Cinema Nr. 62: Problemzone (2017).

Dietrich, Tobias

Ginster und Gespinste. Auswüchse im Spannungsfeld zwischen Wahnsinn und Filmpraxis in Mother is God (2013)

In Zeitungsartikeln, Filmplakaten, Anzeigen oder anderen Medien werden Menschen mit psychischen   Problemen   häufig   durch   die   verknappten   und   akzentuierten   Illustrationen bebildert, in denen man anonymisierten Figuren entweder in den Kopf schauen kann oder in denen umgekehrt ihnen etwas aus dem Kopf wächst. Eine vorerst passende und poetische Darstellungsweise, die aber in ihrem Überfluss und vereinfachenden Wiederholung darauf hinweist, dass uns die Innensicht in einen vermeintlich verworrenen Geist eben nicht gelingt.

Mein Beitrag stellt den experimentellen Dokumentarfilm MAMMA ÄR GUD (Mother Is God, 2013, 30 min) der dänischen Regisseurin Maria Bäck vor und befragt ihn auf seine motivische Darstellung von häufig auftretenden Gewächsen, mit denen der Film eine Antwort auf das geschilderte Problem anzubieten vermag. Bäck machte den Film für ihre Mutter, die seit Bäcks Jugend psychische Wahnvorstellungen hat, und mit ihr. In welchem Zusammenhang stehen Motive des Wachsens mit der psychischen Kondition der Mutter der Filmemacherin und zeitgenössischer  Filmpraxis?  Von  diesem  Schwerpunkt  ausgehend  frage  ich  auch,  was  die jüngste Filmpraxis einer solchen Darstellung von Wahnsinn abgewinnen und zu ihr herantragen kann.

 


Tobias Dietrich ist

Doktorand  am   Institut  für   Kunstwissenschaft   –   Filmwissenschaft  –   Kunstpädagogik   der Universität Bremen, Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, Promotionsprojekt »Die   ästhetische   Dimension   der   Mental   Illness«;   Mitglied   der   Auswahlkommission   des International Film Awards beim Scottish Mental Health Arts and Film Festival, Glasgow. 2009–15. Studium der Kunstwissenschaften und Public Health (B.A.) sowie Kunst- und Kulturvermittlung (M.A.) in Bremen und Paris.

Kappes, Mirjam

„A global epidemic of Nostalgia“?[1]

Mediennostalgische Reminiszenzen in der (post-)digitalen Gegenwart

Die Vergangenheit ist so präsent wie noch nie.[2] Unsere digitalmediale Gegenwart scheint durchzogen zu sein von Phänomenen, die unter Begriffe wie „Nostalgie“, Retro“ und „Vintage“ gefasst werden und denen gemein ist, dass sie das Alte, Vormalige, Überholte und – scheinbar – Obsolete zelebrieren. Beobachtungen über die Omnipräsenz dieser Hinwendung zur Vergangenheit durchziehen alltägliche wie auch wissenschaftliche Diskurse. In der breit rezipierten Arbeit „The Future of Nostalgia“ (2001) von Svetlana Boym heißt es zum Beispiel:

„The ambivalent sentiment [nostalgia, Anm. MK] permeates twentieth-century popular culture, where technological advances and special effects are frequently used to recreate visions of the past […]. Somehow progress didn’t cure nostalgia but exacerbated it. (ebd.: xiv). [Herv. MK].

Ähnlich bestimmt Johanne Garde-Hansen eine „voracious culture of nostalgia” (2011: 71), die sie anhand des „retro use of digital media, online networking and the repurposing of music, fashion, film, art and design archives” zu erkennen glaubt (ebd.). Und Jussi Parikka spricht gar von einer

„wider cultural situation where vintage is considered better than the new, Super-8 and 8-bit sounds are objects of not only nostalgia but also revival and retrocultures seem to be as natural a part of the digital-culture landscape as high-definition screen technology and super-fast broadband” (2012: 3).

An diesen und ähnlichen Bestimmungen wird deutlich: „Nostalgie“ hat sich als sehr gängiges, evaluatives Begriffskonzept für die Reflexion gegenwärtiger digitaltechnischer Entwicklungen der Gegenwart etabliert. Dabei dient Nostalgie keineswegs nur als Konträrentwurf zum technischpositivistischen Fortschrittsdenken einer zunehmend digitalen Alltagswelt oder Krisenbewältigung eines vermeintlich immer schneller voranschreitenden Informations- und Reizüberflusses. Vielmehr scheinen gerade Medienprodukte und -praktiken als Anlass, Gegenstand und Darstellungsverfahren von affektiven Erinnerungsbekundungen an eine (prädigitale) Vergangenheit bestimmt zu werden.

Der Vortrag betrachtet die Darstellungsmodalitäten und Vergegenwärtigungspraktiken, mithilfe derer „Nostalgie“ medial hergestellt und erfahrbar gemacht wird, und reflektiert dabei das dynamische Wechselverhältnis von Aneignung und Reminiszenz, das reflexive, spielerische und gar ironische Züge annehmen kann.

Erwähnte Literatur:
  • Boym, Svetlana (2001): The Future of Nostalgia. New York: Basic Books.
  • Garde-Hansen, Joanne (2011): Media and Memory. Edinburgh: Edinburgh University Press.
  • Huyssen, Andreas (2003): Present Pasts: Urban Palimpsests and the Politics of Memory. Stanford: Stanford University Press.
  • Parikka, Jussi (2012): What is Media Archaeology? Cambridge: Polity Press.

[1] Zitat nach Boym 2001: xiv.

[2] „The past has become part of the present in ways simply unimaginable in earlier centuries“ (Huyssen 2003: 1).


Mirjam Kappes studierte Medienwissenschaft, Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Kunstgeschichte an den Universitäten Freiburg i. Br., Basel (CH), Hamburg und London (UK). Sie ist Stipendiatin der a.r.t.e.s. Graduiertenschule der Universität zu Köln und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienkultur und Theater angestellt.

Mirjam Kappes ist Mitbegründerin der NECS-Workgroup Nostalgia und initiales Mitglied des IMNN (International Media and Nostalgia Network).

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »