Kennen Sie Heimatfilme Herr Luhmann?

– oder Wie Film ein Massenmedium sein kann

Ob sich Niklas Luhmann in den 1950er Jahren von Heimatfilmen unterhalten lassen hat ist uns unbekannt. Aber wenn er mit seiner sozialen Systemtheorie an Kinofilme, inklusive Heimatfilme herangehen würde, würde er gewiß von dem Problem verhindert, das wir hier stellen wollen.

Luhmann subsumiert Film unter den Massenmedien: Jene Einrichtungen der Gesellschaft, „die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen“[1]. Problematisch wird seine Theorie aber ganz am Anfang, wo er sie mit Hinblick auf Fernsehen und Druckpresse entwickelt, und Kinofilme total aus dem Auge verliert. Daraus resultiert, dass das Kinofilm als Gegenbeispiel gegen seiner Thoerie der Massenmedien verwendet werden kann – z.B. indem, dass Luhmann die Programme der Massenmedien auf „Nachrichten/Berichte, Unterhaltung und Werbung“ reduziert, während diese nur drei mögliche (und nicht nötige) Funktionen des Kinofilms – unter vielen anderen – sind; oder wo er Kunst von Unterhaltung privativ unterscheidet[2], während Kinofilme die beiden Funktionen (uzw. gleichzeitig) übernehmen können.

Unser Ziel in diesem Aufsatz ist, mögliche theoretische Lösungen für die Miteinbeziehung des Kinofilms in Luhmanns Medientheorie vorzuschlagen. Zu dessen Gunsten werden die von ihm vorgestellten Programmbereiche der Massenmedien sowie der Kommunikationscode dieser Medien kritisiert. Wir wreden dann sehen, wie die Massenmedien nicht als soziales System, sondern als Medien der Kommunikation funktionieren, die von unterschiedlichen sozialen Systemen in Anspruch genommen werden. Zur Verdeutlichung unserer Diskussion analysieren wir den „Heimatfilm“, Grün ist die Heide (Hans Deppe, 1951), der als ein hervorragendes Beispiel der Unterhaltung, der Selbstreflektion der Gesellschaft, und der Art und Weise dient, wie sich die Gesellschaft durch das Kino eine alternative Realität schafft.

[1] Luhmann, Niklas. Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag. 1996, 10.

[2] Ebenda, 123-24.


Golnaz Sarkar Farshi promoviert an der Bauhaus-Universität Weimar zum Thema „Die Genres der Gesellschaft“.

Ihre wichtigsten Publikationen lauten:

Übersetzungen ins Persischen:
  • What Photography Is (James Elkins), 2016.
  • The Routledge Companion to Critical Theory, 2016.
Zeitschriftartikel:
  • “A Critical Reading of Siegfried Kracauer’s Film Theory”. Kimiya-ye-Honar, 2013
Tagungsbeiträge:
  • “Societies in Films: Towards a Social Systems Theory of Genre”. Florence, 2015.
  • “Cinema as a Social System: A Genre Study of Post-War German Cinema”. Jena, 2015.
  • “Racial Identity in a Post-Modern World: Django Unchained”. London, 2014.