Medialität als Pharmakon. Filmische Injektionsszenen als Kristallisationspunkt des Rauschdiskurses

Spätestens seit der Entwicklung synthetischer Drogen stellt der Rausch eine Grenzverschwimmung zwischen dem Natürlichen und dem Technisch-Künstlichen dar. Der Diskurs ist dabei deutlich älter, so spricht Platon vom Pharmakon, dass in seiner Künstlichkeit dem natürlichen Heilungsprozess hemmen würde – und fasst im Phaidros auch die Literatur als Pharmakon auf, was oft rückprojizierend als erste Medienkritik bzw. -theorie gelesen wurde. Es ist die Doppeldeutigkeit zwischen Gabe und Gift, die die Produktivität des Begriffes ausmacht, etwa um den Wandel von Heroin vom medizinischen Mittel zur gefürchteten Droge nachzuzeichnen. Gleichzeitig verweist er auf zentrale Momente des Rauschdiskurses, neben der erwähnten Künstlichkeit und der Fokussierung des Mischverhältnisses kreist er um das Motiv der technischen Einschreibung in den Körper. Der geplante Beitrag will anhand des Begriffs einem Kristallisationspunkt des filmischen Rauschdiskurses nachspüren: der Injektionsszene. Der Einstich in die Haut sowie die Injektion der Droge stellen einen zentralen Moment zahlreicher Rauschinszenierungen dar. Er wurde mit The Man with the Golden Arm (USA 1955) früh ein Grenzfall im Disput über Zensur. Wurde offen gezeigt in Suchtdramen wie The Panic in Needle Park (USA 1971) oder Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (BRD 1981). Und wurde schließlich künstlerisch verfremdet und experimentell in Szene gesetzt in zeitgenössischen Filmen wie Trainspotting (GB 1996) oder Requiem for a Dream (USA 2000). Die Injektionsszenen verweisen damit auf die oft konstatierte Wiederkehr des Körpers. Diese Körper, also u.a. Figurenkörper und Filmkörper, sind jedoch in ihren Existenzweisen verschränkt mit technischen Aspekten und tragen so das Pharmakon der Medialität in sich, wie der Beitrag in Rückgriff auf kulturgeschichtliche Aspekte sowie der genannten filmischen Beispiele aufzuzeigen versucht.


Henrik Wehmeier: Studium der Germanistik und Philosophie mit Schwerpunkt Theater und Medien an der TU Dortmund sowie der Universität Hamburg; von 1/2014 bis 9/2014 wiss. Mitarbeiter am Institut für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg; seit 10/2014 Stipendiat des Doktorandenkollegs Geisteswissenschaft der Universität Hamburg mit dem Promotionsthema der filmischen Inszenierung von Rausch und deren medientheoretischer Dimension.