Die Konstituierung der Erinnerung: 9/11 und die Medien

Am 11. September 2001 um 9.48 Uhr Eastern Standard Time kollidierte ein Passagierflugzeug mit dem Nordturm des World Trade Centers. Die Folgen haben die Weltpolitik seither immens beeinflusst. Die Erinnerung an dieses Ereignis ist von Schrecken und Trauer geprägt: Eine Katastrophe, die ihres gleichen sucht. Gleichzeitig eröffnen sich Leerstellen, in denen sich Zweifel einnisten: Wer ist schuld? Was ist wirklich passiert? Nicht nur durch seine Durchschlagskraft, sondern auch durch die divergente Rezeption und die mediale Einbindung zeigen sich an 9/11 – allein die Etablierung eines eigenen Begriffs ist bemerkenswert – die vielschichtigen Funktionen und Dysfunktionen des kollektiven Gedächtnisses.

Mithilfe von Jean Baudrillard und Denkansätzen der Gedächtnistheorie nach der Schule Maurice Halbwachs‘ soll zunächst nachvollzogen werden, warum gerade 9/11 so folgenreich war. In der Betrachtung der Fernsehberichterstattung wird deutlich, wie die Akteur/-innen erleben und unter mitwirken welcher Transformationsprozesse Erleben zu Erinnerung wird. Dabei spielt die Koordination individueller, sensueller Wahrnehmung im Fernsehen eine tragende und Kollektivität konstituierende Rolle. Anhand der CNN-Berichterstattung zeigt sich, wie früh das Fernsehen an der Entwicklung von einer kohärenten Deutung mitwirkt und wie es durch die Störung seiner Medialität selbst zu einem Faktor darin wird.

Die Online-Videoplattform YouTube, die durch ihre ebenfalls audiovisuelle Medialität in direkter Konkurrenz – oder Konvergenz? – zum Fernsehen steht, ermöglicht eine Resorption von 9/11, die auch alternative Lesarten beinhaltet. Der online distribuierte Film Zeitgeist zeigt eine in Opposition zur offiziellen Version stehende Deutung, während andere Uploads mit der Artikulation persönlicher Trauer eine alternative, wenngleich nicht oppositionelle Lesart darstellen. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Praktiken in der Medialität YouTubes verankert sind und auf welche Weise sie die kollektive Erinnerung an 9/11 beeinflussen.


Deborah Wolf schloss 2016 den Studiengang M.A. Medien und kulturelle Praxis an der Philipps-Universität Marburg ab. Ihre Masterthesis befasst sich mit „Gedächtnis, Macht und Medien“ und ihrer Verortung im „Spannungsfeld von Fernsehen und YouTube“. Im besonderen Fokus steht dabei die Erinnerung an 9/11.

Seit Februar 2017 ist sie als wissenschaftliche Hilfskraft im DFG geförderten Projekt„Mediale Störungen. Strukturen und Funktionen von Fernsehsondersendungen in der politischen Medienkultur Deutschlands“ unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Dörner (Marburg) und Prof. Dr. Ludgera Vogt (Wuppertal) tätig.