Ginster und Gespinste. Auswüchse im Spannungsfeld zwischen Wahnsinn und Filmpraxis in Mother is God (2013)
In Zeitungsartikeln, Filmplakaten, Anzeigen oder anderen Medien werden Menschen mit psychischen Problemen häufig durch die verknappten und akzentuierten Illustrationen bebildert, in denen man anonymisierten Figuren entweder in den Kopf schauen kann oder in denen umgekehrt ihnen etwas aus dem Kopf wächst. Eine vorerst passende und poetische Darstellungsweise, die aber in ihrem Überfluss und vereinfachenden Wiederholung darauf hinweist, dass uns die Innensicht in einen vermeintlich verworrenen Geist eben nicht gelingt.
Mein Beitrag stellt den experimentellen Dokumentarfilm MAMMA ÄR GUD (Mother Is God, 2013, 30 min) der dänischen Regisseurin Maria Bäck vor und befragt ihn auf seine motivische Darstellung von häufig auftretenden Gewächsen, mit denen der Film eine Antwort auf das geschilderte Problem anzubieten vermag. Bäck machte den Film für ihre Mutter, die seit Bäcks Jugend psychische Wahnvorstellungen hat, und mit ihr. In welchem Zusammenhang stehen Motive des Wachsens mit der psychischen Kondition der Mutter der Filmemacherin und zeitgenössischer Filmpraxis? Von diesem Schwerpunkt ausgehend frage ich auch, was die jüngste Filmpraxis einer solchen Darstellung von Wahnsinn abgewinnen und zu ihr herantragen kann.
Tobias Dietrich ist
Doktorand am Institut für Kunstwissenschaft – Filmwissenschaft – Kunstpädagogik der Universität Bremen, Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, Promotionsprojekt »Die ästhetische Dimension der Mental Illness«; Mitglied der Auswahlkommission des International Film Awards beim Scottish Mental Health Arts and Film Festival, Glasgow. 2009–15. Studium der Kunstwissenschaften und Public Health (B.A.) sowie Kunst- und Kulturvermittlung (M.A.) in Bremen und Paris.